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Whitepaper zu Fest- und Glattwalzen von Radlaufflächen

Fest- und Glattwalzen der Radlaufflächen von Schienenfahrzeugen

Dipl.-Ing. Heiner Muhr, Dr.-Ing. Jandrey Maldaner, M.Sc. Alexander Rudi (ehem. Mitarbeiter), HEGENSCHEIDT-MFD, Erkelenz
M.Sc. Patrick Schneider, Dipl.-Ing. Michael Kölker (ehem. Mitarbeiter),
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Schindler, RWTH Aachen University, Institut für Schienenfahrzeuge und Transportsysteme, Aachen

Das Rad-Schiene-System unterliegt durch permanenten Gleit- und Rollbewegungen verschiedenen Verschleißmechanismen. Die daraus folgende Veränderung des Radlaufflächenprofils stellt neben einer Gefahr durch Materialversagen für den Radsatz und angrenzende Bauteile wie das Radlager und Fahrwerk auch eine akustische Störquelle für Fahrgäste und Umgebung dar. In zeitlichen Intervallen soll die Profilkontur eines jeden Radsatzprofils standardmäßig durch ein spanabhebendes Fertigungsverfahren reprofiliert werden. Diese Instandsetzungsprozedur reduziert jedoch aufgrund von Materialabtrag die Lebensdauer der Schienenfahrzeugräder. Das Fest- und Glattwalzen der Radlaufflächen stellt dagegen eine Möglichkeit dar, den Radprofilverschleiß zu reduzieren und somit die Instandsetzungsintervalle und damit die Lebensdauer eines Schienenfahrzeugrads zu verlängern. Zusammen mit dem Institut für Schienenfahrzeuge und Transportsysteme (IFS) wurde das Fest- und Glattwalzen der Radlaufflächen von Schienenfahrzeugen durch Computersimulationen und Prüfstandversuche systematisch untersucht. Durch abschließende Feldversuche auf den Strecken eines deutschen Stadtbahnbetreibers soll das Verschleißverhalten gewalzter Räder beurteilt werden und damit das Potenzial der Walzbearbeitung aufzeigen.

1. Walzverfahren und -bearbeitung

Das Fest- und Glattwalzen der Oberfläche ist ein rein mechanisches Umformen der Bauteilrandschicht. Dabei werden Walzkörper unter Anpressdruck definiert über die Oberfläche des Bauteils geführt. Der direkte Bauteilkontaktbereich wird dabei plastisch verformt. Je nach Kontaktverhältnissen wird nur die Oberfläche geglättet, dabei werden kleine Kerben eingeebnet und der Werkstoff wird im plastisch verformten Volumen gezielt verfestigt. Durch die Umformung werden schädliche Eigenspannungen aus der spanenden Vorbearbeitung abgebaut und es werden festigkeitsbegünstigende Druckeigenspannungen in die Randzone eingebracht. Zusammen mit der Erhöhung der Randschichthärte können diese eine Verminderung des Radlaufflächenverschleißes und somit eine Steigerung der Laufleistung der Schienenfahrzeugräder erreichen. Rissentstehung und Rissfortschritt werden dadurch entscheidend behindert.

Die Walzbearbeitung schließt an der Reprofilierung der Radlaufflächen an. Eine von HEGENSCHEIDT-MFD entwickelte Walzeinheit (siehe Abb. 1) ist sowohl für Unterflurradsatzdrehmaschinen (dargestellt in Abb. 1) als auch für Überflurradsatzdrehmaschinen geeignet und kann das gesamte Radprofil bzw. Teilbereiche fest- und glattwalzen.

Abb. 1: Unterflurradsatzdrehmaschine (links) und Walzeinheit (rechts)

Anhand mehrerer Walzversuche auf einer Unterflurradsatzdrehmaschine von HEGENSCHEIDT-MFD wurde der Einfluss der Walzbearbeitung auf die Aufhärtung, Glättung und Härtestreuung über den Umfang ermittelt. Je nach Werkstoffeigenschaften stellt sich eine Härtesteigerung an der Oberfläche von bis zu 36 % ein. Mit dem Prozess gehen eine Glättung der Oberflächen (Welligkeiten und Rauheiten) und eine Homogenisierung der Härtestreuung über dem Radumfang einher.

Mit Hilfe der Walzversuche wurde eine Korrelationsmatrix erstellt, mit der eine Aussage über die gewünschte Endhärte nach einer Walzbearbeitung unter Berücksichtigung des verwendeten Radwerkstoffs getroffen werden kann (siehe Abb. 2 und 3).

Abb. 2: Effekte durch die Walzbearbeitung

 

Abb. 3: Schematische Darstellung einer Korrelationsmatrix zwischen der Endhärte und Ausgangshärte verschiedener Werkstoffe unter Verwendung verschiedener Walzkräfte

 

2. Rollenprüfstandversuche und Modellbildung

Mit Hilfe der Rollenprüfstandsversuchen des IFS kann der Rad-Schiene Kontakt nachgebildet werden. Mit zunehmender Überrollung nimmt die Härte im Kontaktbereich bis zu einem Sättigungswert zu. Dies trifft sowohl für das ungewalzte als auch für das gewalzte Rad zu. Es ist festzustellen, dass die Aufhärtung während der Überrollung bei dem zuvor gewalzten Rad deutlich höher ausfällt, als bei dem Referenzrad. Hier kann mit einer Erhöhung um ca. 60 HV (extrapoliert) gegenüber 35 HV gerechnet werden (siehe Abb. 4).

Abb. 4: Härtemessung auf und neben der Laufspur – ungewalztes Referenzrad links, gewalztes Rad rechts

Die Untersuchung konnte des Weiteren feststellen, dass die Eigenspannungen in der Randschicht bis in einer Tiefe von 300 µm durch das Festwalzen positiv beeinflusst werden. Abbildung 5 zeigt den Unterschied zwischen dem ungewalzten und gewalzten Rad im Bereich der Laufspur vom Prüfstandsversuch.

Abb. 5: Eigenspannungsmessung – ungewalzt zu gewalzt nach dem Prüfstandslauf auf der Laufspur

Das gewalzte Rad zeigt keine Zugspannungen, sondern Druckeigenspannungen am Rand auf. Dadurch können Spannungsrisse von der Oberfläche nicht in das Bauteilinnere wandern, wodurch auf eine verlängerte Laufleistung geschlossen werden kann.

Um die am Fahrzeug resultierende Härteentwicklung der Radreifen sowie die dadurch auftretenden Materialabträge einzuschätzen, wurden diese unter Zuhilfenahme eines Mehrkörpersimulationsmodells in der Software SIMPACK für die ersten 170 km der Laufleistung der beim kooperierenden Stadtbahnbetreiber eingesetzten Fahrzeuge berechnet. Hierzu wurden die in den Prüfstandsversuchen ermittelten Zusammenhänge zwischen Härteentwicklung und Anzahl der Überrollungen im Modell implementiert. Hierbei konnte festgestellt werden, dass eine geringere Streuung der Ausgangshärte entlang der Radoberfläche zu einem gleichmäßigeren Verschleiß führte. Zudem wird der Verschleiß nach gängigen Gesetzmäßigkeiten durch eine erhöhte Oberflächenhärte reduziert.

3. Feldversuche

Durch Feldversuche soll nachgewiesen werden, ob das Fest- und Glattwalzen die Eigenschaften des Rades positiv beeinflusst. Bei diesen Versuchen wird ein Schienenfahrzeug auf einer repräsentativen Strecke des Stadtbahnbetreibers über einen gewissen Zeitraum beobachtet. Abbildung 6 zeigt die gemittelte Härteentwicklung auf der Radlauffläche über die Laufleistung.

Abb. 6: Feldversuch Härteentwicklung

Neben der Härteentwicklung sind die berechneten Verschleißmassen in Abbildung 7 aufgetragen.

Abb. 7: Berechnete Verschleißmasse

4. Zusammenfassung

Das Walzen bewirkt neben einer Verfestigung auch eine Homogenisierung der Härtestreuung. Das Verschleißmodell zeigt ebenfalls gleichmäßigeres Verschleißverhalten bei homogener Härteverteilung. Eine Korrelation zwischen Härte und Verschleiß konnte sowohl im Verschleißmodell als auch im Feldversuch aufgezeigt werden. Der Härteverlauf im Feldversuch deckt sich nicht mit dem aus dem Prüfstandsversuch. Bisher waren keine nennenswerten Unterschiede in der Härteentwicklung zw. den gewalzten Rädern und den Referenzrädern im Feldversuch erkennbar. Ähnlich hohe Verschleißmasse von ungewalzten und gewalzten Rädern. Die Durchführung der Feldversuche im Fahrgastbetrieb wurde noch nicht abgeschlossen.

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